Schlafen sie denn schon durch?

Schlafen sie denn schon durch?

8. Oktober 2018 0 Von Kathrin

Das ist wohl eine der häufigsten Fragen, die Mütter von Babys in ihrem Alltag zu hören bekommen. Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit erinnern, in der Zwilli 1 und 2 ganz frisch geschlüpft waren. Ein unsicheres „Wie läuft das mit dem Schlafen bei euch so?“ huschte auch mir des Öfteren anderen Mamis gegenüber über die Lippen. Natürlich bekam ich fast nie ein Ja zu hören. Denn Babys schlafen nun einmal nicht durch. Ich habe Sagen vereinzelter Fälle gehört, in denen ausgeruhte Mamas beteuern, ihr Kind schlafe von 7 bis 7 komplett durch. Nicht selten folgte allerdings auch: “Ich gehe aber auch nicht bei jedem Pieps hin.“. Hm, was soll das denn heißen? Definiert mir bitte „Pieps“! Zwilli 1 und 2 machten kein „Pieps“, wenn sie wach wurden. Sie kreischten laut los und gaben mir unmissverständlich zu verstehen, dass es keine andere Option gab, als meinen Hintern unverzüglich zu ihnen zu bewegen. Und das tat ich. Stets und sofort. Eine andere Option sah ich nicht. Und jetzt mal ehrlich, wenn man auch noch direkt ZWEI Babys zu Hause hat, wie hoch soll da schon die Wahrscheinlichkeit für ruhige Nächte sein?

Ein schwerer Start

Zwilli 1 und 2 und ich hatten leider einen ungünstigen Start. In Schwangerschaftswoche 37 erblickten die beiden nach künstlicher Einleitung des Geburtsvorgangs und letztendlichem Kaiserschnitt das Licht der Welt. (Hätte nicht sein müssen, war alles meine Schuld, dumm gelaufen – genug Stoff für einen anderen Blogbeitrag.) Und da lagen die beiden Würmchen nun. So klein, so verletzlich. Und ich hatte als kompletter Neuling auf diesem Gebiet eine Heidenangst, etwas falsch zu machen. Ich bin mir sicher, so geht es den meisten Erstlingsmüttern. Leider bekommt man in einem Krankenhaus so gute Tipps wie auf einem Jahrmarkt. Die einen sagen so, die anderen so. Unbedingt zufüttern, die Kleinen sind zu schwach, um allein an der Brust zu trinken, meinte Kinderkrankenschwester Nummer 1. Nummer 2 war ein absoluter Still-Fan und riet mir zu permanentem Anlegen ohne Zufütterung. Ich war heillos überfordert und entschied mich vorerst fürs Abpumpen und Zufüttern. „So klein, wie die zwei sind, rate ich zu einem 2-Stunden-Turnus!“, legte mir die beherzte Krankenschwester, die mir doch sonst so sympathisch war, nah. Also hielt ich mich daran. Der Milcheinschuss erfolgte brav am dritten Tag nach der Geburt und dann ging’s los: Alle zwei Stunden Abpumpen, immer schön die Babys dabei anschauen wegen der Bildung des so wichtigen Liebeshormons Oxytocin, versuchen möglichst viel Inhalt in die Babybäuche zu bekommen, denn das Trinken an der Flasche ist ja viel einfacher. Was im Krankenhaus noch ganz ok war, entwickelte sich daheim schnell zum Albtraum. Denn das Reinigen mit dem Desinfektionsgerät des gesamten Abpump,- und Stillequipments im 2-Stunden-Takt, inklusive Fütterung der wenig trinkbegeisterten Zombies, die die ganze Zeit viel lieber schlafen als trinken wollten, danach die Aufzeichnung der Uhrzeit und Trinkmenge beider Kinder und das erneute Abpumpen, ließ im Grunde kaum Zwischenraum für Schlaf oder irgendetwas anderes und erfüllte unsere gesamten ersten Tage. Rückblickend ärgere ich mich sehr über diese Zeit, denn es hätte so nicht laufen müssen. Etwa 2 Wochen nach der Geburt setzte ich dem Wahnsinn ein Ende. Ich gab Zwilli 1 und 2 einfach ständig die Brust.  Langes Stillkissen um mich gewickelt, großes Kissen in meinen Rücken, die Babys links und rechts im Fußballergriff aufs Stillkissen und los ging’s. Es dauerte nicht lang und wir alle hatten den Dreh raus. Wir waren befreit! Weg mit dem ganzen Abpump-Zeug und her mit mehr Zeit und Entspannung! Eigentlich. Denn bisher war ich seit der Geburt der Zwillis so beschäftigt, dass ich ans Schlafen gar nicht denken konnte. Doch nun wäre dafür doch tatsächlich Zeit gewesen. Aber ICH konnte nicht. Ich hatte eine handfeste Schlafstörung entwickelt. Diese permanente Unruhe in mir sorgte dafür, dass ich nicht abschalten konnte. Vielleicht sterben sie, wenn ich nicht hinschaue. Ich hatte viel vom plötzlichen Kindstod gehört und dachte unbewusst vielleicht, ich könne im Fall eines Atemausfalls etwas bewirken, wenn ich es nur mitbekäme.

Wieso habe ich die Anfangszeit nicht genutzt?

In den ersten drei Monate schliefen die Jungs wirklich gut. Zu gut, fand ich oft. Ständig überprüfte ich Atmung, Herzschlag und Puls. Schon allein dieser Krankenschwester-Dauer-Modus ließ mich kein Auge zu machen. Wieso nur habe ich mich in dieser Anfangsbenommenheit der Kinder nicht mehr entspannt? Das fragte ich mich nach Durchbrechen der 3-Monats-Grenze oft. Denn ab Monat 4 war nicht mehr ICH das Problem, sondern tatsächlich Zwilli 1 und 2. Teilweise schafften sie zusammenhängende Schlafphasen von lediglich 20 Minuten, natürlich zeitversetzt. So dass ich in der Schlafphase des einen den anderen durch die Gegend tragen konnte. Rückblickend denke ich oft, dass ich die Situation damals völlig falsch handhabte. Denn wir hatten ein ausgeklügeltes System erfunden.

Unser kleines Einmaleins des Zwlillingsschlafs

Wir hatten uns von Anfang an für die Variante Familienbett entschieden. Wir hatten ein recht großes Bett, so dass es an Platz schon einmal nicht mangelte. Ich hatte immer vor zu stillen, weshalb mir der Gedanke, nachts wer weiß wie oft in ein anderes Zimmer zu dackeln, nicht gefiel. In meiner Vorabrecherche las ich von Frauen, die sogar halb im Schlaf stillten und somit in ihrem Nachtschlaf kaum gestört wurden. Also legte ich Zwilli 1 links neben mich und Zwilli 2 rechts neben mich. Natürlich tauschte ich jede Nacht die Seiten, ich wollte ja keine deformierten Köpfe. Neben uns dreien lag eine Stillschlange und dahinter lag mein Mann, der immer Angst hatte, sich auf das neben ihm liegende Baby im Schlaf draufzurollen, egal wie oft ich beteuerte, dass sein Instinkt das schon zu verhindern wüsste. Ich zumindest lag stets, wie ich eben lag. Es gab keine einzige Situation, in der ich aufwachte, weil eine akute Erdrückungsgefahr für irgendwen bestanden hätte.

Wurde nun einer der beiden wach, so drehte ich mich zur Seite, streckte ihm die Brust entgegen und hoffte, dass er einfach wieder einschläft, nachdem er sich satt getrunken hat, und sein Bruder hinter mir in der Zeit nicht wach wird. Wenn dies doch geschah, so rüttelte ich, manchmal wahrscheinlich sehr unsanft, am Arm meines Mannes, was ihm das Signal gab, ein Baby in den Arm zu nehmen und zu beruhigen, bis ich mit dem ersten hungrigen Kind fertig wurde. Blieb das Kind in seinem Arm ruhig, blieb er im Raum, wurde es unruhig, ging er rüber ins Kinderzimmer, schaltete den Föhn an und wiegte und schockelte, was das Zeug hielt. Alles in der Hoffnung, dass mein Baby schnell wieder einschläft und ich ihm seins zum Stillen abnehmen kann. Der Plan ging allerdings selten auf. Oft wollten Baby Nummer 1 und Baby Nummer 2 nämlich einfach nur ewig an der Brust nuckeln, wie Babys das nun mal so machen. (Schnuller habe ich nie benutzt.) Es ist mir bis heute schleierhaft, wieso ich es mir nicht einfach mit beiden Babys auf einem Stillkissen gemütlich gemacht habe, sondern lieber die halbe oder manchmal ganze Nacht mich und meinen Mann mit halbschlafenden Babys durch die Wohnung hab wandern lassen. Auch für die Tagesschläfchen fing ich bald an, immer einen zweiten Mann zu brauchen. Zwilli 1 an, zum Beispiel, Oma, mit Zwilli 2 ins Schlafzimmer. Auf den Pezziball mit Föhn als nette Geräuschuntermalung an der Brust und manchmal noch ein Schlaflied trällernd, wartete ich da nun, bis mein Zwilli eingeschlafen war, um ihn dann fast ohne Ruckelbewegung ins Bett zu befördern, um dann den anderen Zwilli von der Oma abzuholen und das gleiche Spiel zu wiederholen. Es sei denn, das schon schlafende Kind wurde beim Versuch, das zweite zum Schlafen zu bringen, wieder wach. Dann begann das Spiel von vorn. Und so ging das doch tatsächlich, bis Zwilli 1 und 2 etwa 14 Monate alt waren. Erst dann kam ich auf die glorreiche Idee, mich flach auf den Rücken in mein Bett zu legen, die Jungs links und rechts in meinen Arm zu packen, sie an die Brüste andocken zu lassen und einfach mal zu schauen, was passiert.

Plötzlich wurde alles besser

Zunächst schauten mich Zwilli 1 und 2 sehr merkwürdig an. Sie waren mittlerweile gewöhnt an ihre Schockel-Hüpf-Föhn-Sing-Solo-Einschlafbehandlung. Jetzt will Mama es sich so einfach machen? Zunächst gab es leichten Protest. Er hielt sich aber in Grenzen. Ich versuchte, den Müdigkeitsgrad gut abzupassen, so dass sie sehr müde, aber noch nicht über den Punkt waren. Und so schlummerten beide tatsächlich ratzfatz in meinen Armen weg. Und ich brauchte keine zweite Person mehr. Ich war autark!!! Auch wenn die beiden nachts wach wurden, löste ich die Situation auf diese Weise. Den beiden war nur wichtig, an ihrer geliebten Brust nuckeln zu dürfen, und schon schlummerten sie ruhig da hin. Ich weiß nicht, wieso ich nicht eher auf diese Idee gekommen war. Und ich weiß auch nicht, ob es an der neuen Ein- und Weiterschlafart lag oder einfach an der Zeit war, aber die Zwillis begannen nun, deutlich seltener wach zu werden. Ich weiß noch genau, wie ich zum ersten Mal seit etwa zwei Jahren FÜNF (!!!) Stunden am Stück schlafen durfte. (Bereits in der Schwangerschaft schlief ich sehr schlecht.) Ich war so glücklich und ein komplett neuer Mensch.

Von da an ging es steil bergauf

Der Zenit war durchbrochen. Die Nächte wurden besser und somit auch meine Gesamtverfassung und die meines Mannes natürlich auch, schließlich musste der arme Kerl trotz nächtlicher Schockelstunden morgens zur Arbeit. Die gesamte Familie wurde entspannter und ich glaube, auch Oma war froh, endlich nicht mehr permanent im Standby als Ersatzmann zu stehen.

Beim zweiten Mal wird`s gut

Also kam in uns der Gedanke auf, dass wir jetzt, wo alles so viel besser geworden war, das Projekt Wunschtochter starten könnten. Gesagt, getan. Schwanger, wieder Zwillinge, diesmal zwei Mädchen. Fest nahm ich mir vor, dass ich den Zustand, den wir im ersten Lebensjahr von Zwilli 1 und 2 hatten, nicht noch einmal zulassen werde. Und das tat ich auch nicht. 

Die Frage danach, wie „einfach“ oder „schwierig“ ein Kind für seine Eltern handhabbar ist, erinnert mich ein wenig an die Frage nach dem Huhn und dem Ei. Oft zerbreche ich mir den Kopf darüber, ob Zwilli 3 und 4 einfach einfacher, pflegeleichter sind, oder ob es nur an mir lag. Viele Eltern in meinem Umfeld berichten davon, dass sie Kind 2 oder gar 3 leichter zu handeln fanden als das erste Kind. (Ausnahmen bestätigen die Regel!) Was bei mir den Schluss zulässt, dass es doch an uns Eltern liegen muss. Und das tut mir im Nachhinein unendlich leid. Ich hätte es Zwilli 1, 2 und mir so viel schöner machen können. Stattdessen lief ich lieber wie ein Zombie durch die Gegend, schlaflos und völlig fertig. Bei Zwilli 3 und 4 stand ich nachts nicht auf. Nicht einmal. Es wurde auch nie von mir verlangt. Gut, die Voraussetzungen waren andere. Nach der Geburt der zweiten Zwillinge teilten mein Mann und ich uns auf. Er schlief mit den Jungs, die mit ihren ziemlich genau zweieinhalb Jahren immer noch nicht zuverlässig durchschliefen. Ich machte mit den Mädels ein Frauenschlafzimmer auf. Da ich wollte, dass die Jungs gut betreut sind vom Papa, war es mir unheimlich wichtig, diesmal direkt und immer allein mit Zwilli 3 und 4 fertig zu werden. Und das war auch niemals schwierig. In den ersten Monaten schlief ich im Sitzen. Oder halb im Sitzen. Ich legte mir viele große Kissen in meinen Rücken, ein etwas härteres unter meinen Kopf, legte ein riesiges Seitenschläferkissen um mich herum, platzierte wieder beide Kinder im Fußballergriff an meinen beiden Seiten, ließ die Brüste direkt offen (Es war Sommer!) und schlief. Und zwar richtig gut. Wurden die Mädels wach, so tranken oder nuckelten sie und schliefen einfach weiter. Schlief eine mal nicht direkt wieder ein und drohte weinen zu wollen, so nahm ich sie hoch, kuschelte etwas mit ihr, positionierte sie etwas um und relativ schnell schlief sie weiter. Überhaupt verhielt ich mich einfach ganz normal. Nicht wie eine Irre. Bei Zwilli 1 und 2 dachte ich, jede Bewegung, jedes Atmen könnte einen wecken. Deshalb verhielt ich mich stets still, megamonsterstill. Schon allein der Gedanke, das Stillkissen rauszuholen und alle darauf zu positionieren, jagte mir Schauer über den Rücken – sie hätten dabei ja richtig wach werden können und wir wären mitten in der Nacht alle hellwach gewesen und ich hätte sie wieder zum Schlafen bringen müssen, mit Pezziball und Föhn und Singen und Zweitmann. Bei Zwilli 3 und 4 dachte ich darüber gar nicht nach. Ich handelte einfach so, wie es mir logisch erschien. Nicht so, als wären meine Kinder tickende Zeitbomben, die mir die nächsten Stunden tierisch versauen könnten, wenn ich jetzt einen falschen Atemzug mache.

Und so lief die Sache

Nach der Geburt meiner zweiten Zwillinge litt ich nicht einmal unter Schlafmangel. Was mir zu schaffen machte war, dass ich so gar nicht für meine Jungs da sein durfte. Papa hatte komplett übernommen und sie fehlten mir nachts sehr. Also wartete ich, bis Zwilli 3 und 4 in meinen Augen groß genug waren, dass Zwilli 1 und 2 sie nicht mehr so leicht plattwalzen konnten, wenn sie sich nachts im Schlaf durchs Bett drehten, ließ Opa ein 3 Meter großes Palettenbett von Wand zu Wand mit Rausfallschutz bauen und zog um. Seither schlafe ich mit meinen vier Kindern in einem großen Bett und liebe es. Wird einer wach, brauche ich nur meine Hand hinzustrecken und zu sagen: „Ich bin da, mein Schatz! Alles ist gut!“ und alle schlummern selig weiter.

Alle sind froh und ich frage mich: Wieso denn nicht gleich so? Wieso war ich so dumm und habe aus dem Schlaf meiner Kinder ein viel zu großes Ding gemacht? Wieso habe ich mir die Anfangszeit mit meinen ersten Kindern so sinnlos so schwergemacht? Doch da diese Fragen jetzt nichts mehr ändern, versuche ich, daraus zu lernen und mir für die Zukunft einfach fest vorzunehmen, die Dinge leichter zu nehmen. Was mir bisher auch so ziemlich gelingt. Ganz nach dem Motto: MAMA, CHILL MAL DEIN LEBEN!