Alltag zwischen höchstem Glück und heillosem Chaos – Part One

Alltag zwischen höchstem Glück und heillosem Chaos – Part One

20. Oktober 2018 0 Von Kathrin

Mittlerweile sind Zwilli 1 und 2 fast 4 Jahre alt und Zwilli 3 und 4 haben die Jahresgrenze lange hinter sich gelassen. Das bedeutet, es laufen in unserem Haus jeweils 2 Kinder mit völlig unterschiedlichem Entwicklungsstand und völlig unterschiedlichen Bedürfnissen herum. Während die Mädels stolz über ihre ersten Schrittchen sind und ihre größten Probleme darin bestehen, von dem Hindernis, auf das sie gerade geklettert sind, wieder herunter zu kommen, wollen die Jungs ordentlich gefördert werden. Denn die können schon eine ganze Menge und wollen mehr, mehr, mehr. Das macht unseren Alltag, wenn ich allein mit allen bin, manchmal nicht so leicht. Denn in Ruhe etwas Schönes zu basteln oder bauen, wenn die tapsigen und noch sehr grobmotorischen Mädchen in der Nähe sind, ist schier unmöglich. Doch dann ist das eben so. Dann können filigrane Holzklotzbauwerke und originalgetreue Flugsaurier eben nur mit Mama oder Papa gebaut werden, wenn das andere Elternteil Händchen haltend mit Zwilli 3 und 4 durch die Wohnung laufen kann. Den größten Teil unseres Alltags haben Mama und Papa mittlerweile ganz gut organisiert.

7.00 Uhr – der Wecker klingelt

Mama drückt aber müde die Schlummertaste, weil sie am Abend zuvor wieder einmal zu lange genäht oder gebloggt hat. Und noch einmal und noch einmal. Shit, jetzt ist es doch schon wieder halb 8. So langsam wird dann auch mal einer der Kids ein wenig wach, denn Zwilli 3 und 4 nuckeln spätestens seitdem der Wecker zum ersten Mal geklingelt hat sowieso die ganze Zeit im Halbschlaf an meiner Brust herum und dösen vor sich hin. Jetzt beginne ich aber, sie etwas aktiver zu streicheln und sage fröhlich: „Guten Morgen!“, wonach sie mit ihren wunderschönen, blauen Augen zu mir aufschauen, sich langsam aufsetzen und um die Wette strahlen. Rasch beginnen sie, alles um sich herum in die Hände zu nehmen und zu untersuchen. Und das ist eine ganze Menge. Denn auch wenn ich stets bemüht bin, halbwegs Ordnung zu halten und meinen Kindern zu erklären, dass im Bett geschlafen wird, und es deshalb sehr ungünstig ist, alles Mögliche da hinein zu schleppen, finden sich immer wieder Massen an Spielzeug, Zahnbürsten, Taschenlampen und sonstiger Kram unter den Decken und Kissen. Durch das Gewusel der Mädchen drehen und wenden sich auch die Jungs immer häufiger und beginnen langsam zu erwachen. Schnell rücken sie rüber und kuscheln sich unter meine Decke ganz nah an mich heran. Diese beiden Plätze müssen am Abend und in der Nacht für Zwilli 3 und 4 freigehalten werden, da die ja immer noch permanent an die Brust wollen. „Wie ihr damals auch.“, erkläre ich den Jungs immer noch oft, obwohl sie das Distanzgebot wie ein natürliches Gesetz ohne Murren und Knurren einhalten. Das wundert mich wirklich. Bevor es Zwilli 3 und 4 gab, waren Zwilli 1, 2 und ich eine Einheit, fast auch körperlich. Im Schlaf ließen sie keinen Millimeter Platz zwischen uns. Und wehe, ich wollte mich beim Einschlafen auf eine Seite drehen, dann gab es lautstarken Protest vom Kind hinter mir. Doch seitdem ich mit den Mädchen ins Jungsschlafzimmer eingezogen bin, war klar, dass Zwilli 3 zwischen Zwilli 2 und mich und Zwilli 4 zwischen Zwilli 1 und mich kommt. Und so hat jeder seinen festen Schlafplatz. Also genieße ich es jetzt am Morgen, wenn die Mädels schon auf Entdeckungstour gehen, mit meinen Jungs zu kuscheln. Und auch wenn die Zeit mir im Nacken sitzt, so lesen wir doch noch schnell ein Stück aus einem Buch oder kitzeln uns gegenseitig so lange aus, bis einer unbedingt endlich mal aufs Klo muss.

Und schwupps ist es 8.00 Uhr und wir müssen den Turbo einlegen. Im Hinterkopf habe ich die Oma, die als Backup jeden Morgen nach dem eigenen Frühstück bereitsteht, um meine Rasselbande fit für den Tag zu kriegen. Und darauf ruhe ich mich manchmal schon ein bisschen aus. Also alle auf die Toilette und zum Anziehen. Das könnten Zwilli 1 und 2 eigentlich langsam selbst, da es jetzt aber schnell gehen muss, hebe ich beide auf den Wickeltisch, weil das so schön Rücken schonend für mich ist, und los geht’s. Klamotten habe ich fein ordentlich am Abend zuvor auf der Fensterbank neben dem Wickeltisch platziert – dem Geburtszeitpunkt entsprechend, vom „Ältesten“ zur „Jüngsten“, wenn es sich auch nur um 1 oder 3 Minuten handelt. Wenn möglich, weitestgehend grüne Kleidung für Zwilli 1, der liebt nämlich grün über alles, und weitestgehend rote Kleidung für  Zwilli 2, wenn er auch wesentlich leichter zufriedenzustellen ist bei diesem Thema als sein Bruder.      

Und auch wenn ich den grünen Dresscode bestmöglich eingehalten habe, so findet Zwilli 1 mit Sicherheit noch was daran zu meckern. „Mag nicht die Socken mit den grünen Streifen, will die mit den grünen Punkten.“ oder „Mag heut keine Boxershort, mag einen Schlüpper.“. Je nach Stimmung, hole ich entweder brav die gewünschten Kleidungsstücke oder ich habe nur ein gehetztes „Wir haben jetzt keine Zeit. Nimm, was ich dir hingelegt habe, oder ich ziehe jetzt erst einmal deinen Bruder an.“ übrig. Das zieht eigentlich immer, denn für Zwillinge ist es enorm wichtig „Erster“, oder „größer“ zu sein. Auch Sprüche wie „Mein Penis is länger als deiner.“ gab es mit ihren zarten drei Jahren schon zu hören. Ich bin mir allerdings sicher, dass sie den ganzen Umfang dieser Aussage noch nicht erfassen. Dieser, bei meinen Jungs zum Glück noch nicht so schlimm ausgeprägte, aber definitiv vorhandene Konkurrenzkampf hilft mir an stressigen Morgen sehr, ein bisschen für Tempo zu sorgen. Denn damit keiner benachteiligt wird, ziehe ich immer im Wechsel jedem ein Kleidungsstück an, so dass am Ende beide etwa gleichzeitig fertig sind. Gut für mich, denn so kann ich schon mal das Thema Frühstück anschneiden, um den Fokus der beiden darauf zu lenken, und dafür zu sorgen, dass in der Eile nicht erst ein zeitaufwendiges Spiel begonnen wird und ich hundertmal ermahnen muss, bis die Herren zum Frühstückstisch kommen. „Wie sieht’s aus? Was machen wir uns heute Morgen Leckeres? Lust auf Arme Ritter? Oder machen wir uns fix ein Rührei? Oder einfach nur ein leckeres Müsli? Ich hab noch Himbeeren und Heidelbeeren im Kühlschrank, die müsstet ihr mir allerdings schnell noch waschen.“ Es ist einfach wunderbar, wie leicht man kleine Kinder noch manipulieren kann. Denn schon bevor ich den Satz beendet habe, stürmen beide in die Küche, um sich auf die von mir gestellte Aufgabe zu stürzen. In der kurzen Zeit, die mir bleibt, bevor der erste Zoff in der Küche entsteht, weil zum Beispiel beide gleichzeitig schlecht Platz auf dem Stuhl finden, den sie sich ans Spülbecken schieben müssen, oder einer den anderen so anrempelt, dass alle Beeren ins Waschbecken purzeln, schnappe ich mir Zwilli 3 und 4 und ziehe sie an. Wenn ich Glück habe, ist die Oma mittlerweile eingetrudelt und übernimmt das für mich. Den beiden kann ich zum Anziehen noch hinlegen, was mir gefällt. Wie schön ist das doch, wenn Dinge ohne Protest ablaufen. „Lange wird das auch nicht mehr gehen“, denke ich so bei mir und bete für einen guten Klamottengeschmack meiner Mädels.

Wenn ich dann in die Küche komme, sehe ich Minimum einen der beiden Jungs auf der Küchenanrichte herumturnen, um eine Schüssel aus den Hängeschränken zu fischen. „Ich hol dir deine Schüssel und du holst schon mal die Löffel und dein Bruder die Milch, ok?“, sage ich sanft, während ich das Kamikaze-Kind von der Küche hebe. Neue Aufgabe, für BEIDE, ganz wichtig, alte vergessen, sie stürmen los. „Nicht den Löffel“, motzt Zwilli 1 seinen Bruder an. „Ich will den grünen!“ „Sag das deinem Bruder doch bitte etwas freundlicher“, bitte ich Zwilli 1, während Zwilli 2 stumm den grünen Löffel holt. „Soll ich das Müsli und die Milch in die Schüssel schütten oder willst du selbst?“, frage ich vorsichtig, denn jeder noch so kleine „Fehler“ von mir kann an einem zeitlich eng gespickten Morgen zu Eskalationen führen, die wir uns nicht erlauben dürfen. Es ist bereits 8.20 Uhr und wir müssten uns eigentlich in 10 Minuten anziehen zum Losfahren, spätestens. Inzwischen kommt eine Schwester in die Küche gewatschelt auf ihren wackeligen Beinen. „Jetzt bitte nicht komisch umplumpsen und irgendwo gegen dotzen, ich hab jetzt keine Zeit für aufwendigen Trost.“, denke ich. So geht es mir recht oft in meinem Alltag. In Gedanken sehe ich schon einen möglichen Unfall, Streit oder irgendetwas, das mich von der Aufgabe abhalten würde, die ich gerade erfüllen will. Und dann bete ich zu Gott, an den ich nicht mal glaube, dass er uns in diesem Moment bitte verschont, damit wir hier fertig werden. Oft klappt es, oft auch nicht. Schnell schnappe ich mir das Mädchen, das in den von mir gewählten Klamotten einfach zauberhaft aussieht, bis es nach dem Frühstück schon wieder von oben bis unten voller Essenreste ist, und setze es in sein Stühlchen. Zwilli 3 und 4 habe ich auch eine kleine Portion Müsli in eine Schüssel gemacht, sie frühstücken eh kaum, weil sie sich den ganzen Morgen an meiner Brust satt getrunken haben. Trotzdem versuche ich, ihnen parallel noch ein Brot mit Käse oder Quark unterzujubeln, vielleicht ja heute. Die Jungs mampfen ihr Müsli, bis sie das Brot entdecken. „So eins will ich auch!“, ich hab natürlich etwas übrig gelassen, denn das war mir im Vorfeld schon klar. „Hier mein Schatz“, sage ich, während ich das Käsebrot in mundgerechten Stücken auf den Frühstücksbrettchen der Jungs verteile. Inzwischen ist die Oma mit Schwester Nummer 2 in die Küche gekommen und setzt auch sie in ihr Stühlchen. Während Zwilli 4 relativ fleißig futtert, wirft Zwilli 3 jedes Stück Brot auf den Boden, nachdem sie den Belag abgefuttert hat. Nach 5-minütigem Essen kann ich ungefähr 10 Minuten die Küche putzen. Während ich die Trinkflaschen für die Jungs befülle – Zwilli 1 hat die Flasche mit dem Ritterüberzug, während in seine Flasche stilles Wasser kommt, Zwilli 2 die Raupenflasche mit Sprudelwasser drin. Die kommt dann in den roten Kindergartenrucksack, die andere in den grünen. Bloß nicht verwechseln, sonst gibt`s Ärger. Die Brotdosen noch mit dazu, die stehen schon fertig im Kühlschrank, weil ich die am Abend zuvor schon vorbereitet habe. Vorbereitung ist für mich das A und O. Alles, was irgendwie geht, wird vorbereitet. Und auch wenn die Brote und Unmengen an fein in Häppchen geschnittenem Obst und Gemüse am nächsten Tag vielleicht nicht mehr ganz so frisch schmecken, so rettet mir das zeitlich am Morgen ungemein den Allerwertesten.

Wenn ich Glück habe, ist das Frühstück ohne größere Katastrophen über die Bühne gegangen und wir können schnell die Zähne putzen gehen, während Oma verzweifelt versucht, noch etwas Essen in die Mädchen zu bekommen. Ich laufe den Jungs, die schon wieder hoch konzentriert an irgendeiner Absperrung im Flur mittels Hundeleine und Nähgarn aus meinem Nährepertoire arbeiten, mit den Zahnbürsten hinterher, während ich fünfmal das Wort „Gleich“ zu hören bekomme. Irgendwann sage ich: „Gut, dann fahre ich jetzt eben allein in den Kindergarten und spiele mit euren Freunden.“. Noch zieht das tatsächlich oft, nicht immer. In ein paar Monaten oder Jahren werden sie mir dafür wahrscheinlich einen Vogel zeigen. Jetzt beginnt also der Spaß. Ich musste mir ja unbedingt den Waldkindergarten aussuchen, pädagogisch mega wertvoll, im täglichen Handling mega umständlich. Denn sobald es kalt und nass draußen wird, müssen die Jungs in Tausend Zwiebelschichten gepackt werden. Lieber mal noch ein Fleecepulli mehr, die sauteuren Wanderschuhe, die sich so extrem schwierig anziehen lassen – dafür sitzen sie 1 A. Arbeitshandschuhe müssen natürlich auch sein. „Der Finger ist nicht richtig drin!“, zack, alle beide Handschuhe auf den Boden geworfen. Jeder, der schon mal einem sehr kleinen Kind enge Handschuhe mit Fingern angezogen hat, weiß,  wie lange das dauern kann. Also noch mal von vorn. Die Mütze? Oder eine der Dreimillionen anderen im Schubfach? Oma pellt inzwischen die Mädels in ihre Matschanzüge und dann kann’s losgehen. Zwilli 3 und 4 kommen in den Fahrradanhänger und Zwilli 1 und 2 schwingen sich auf ihre kleinen, blauen Drahtesel. Mit denen sie, stolz wie Oskar, abdüsen, bis eine kleine Steigung kommt. Und die kommt leider jeden Morgen aufs neue direkt vor der Haustür. Da startet die Tour nämlich mit etwa 150 Meter bergauf fahren. Danach geht es fast nur noch gerade aus und leicht bergab, aber jeden Morgen sind diese 150 Meter erneut ein Grund zum Meckern. „Kannst du mich anschieben?“, diese Frage wird dann zum Dauerbrenner. Aber schieb mal, in gebückter Haltung, einen kleinen Jungen einen Berg hinauf, während du versuchst mit der anderen Hand ein Erwachsenenfahrrad mit relativ schwerem Anhänger gerade neben dir her zu führen. Für kurze Stücke schaffe ich das, aber irgendwann ist gut. Zwilli 1 hat Verständnis und schiebt seinen Drahtesel brav. Ich schiebe aus Solidarität auch, obwohl ich allein in einer halben Minute oben an der Hauptstraße wäre. Man bedenke: Es ist ganz kurz vor 9 Uhr und ich hasse es, zu spät zu kommen. Zum Glück sind Wald-Leute da nicht so. Geduldig warten sie, bis alle eingetrudelt sind. Während die Eltern der anderen Kinder ihren Kleinen einen Schmatz geben und zu ihren Autos gehen, höre ich Zwilli 1 und 2 schon sagen: „Du kommst aber doch noch mit hinter? Ja, Mami?“. Klar, ich hab ja Zeit. Dass Zwilli 3 und 4 in ihrem Anhänger langsam anfangen, Rabatz zu machen, interessiert die großen Brüder wenig. Alle marschieren im Entengang den Waldweg vom Parkplatz zum Waldkindergarten. Meine Jungs hängen wie kleine Äffchen am Fahrradanhänger und turnen daran herum. Da kommt das Cousinchen, das in der gleichen Gruppe ist, direkt auch noch mit dazu und ich ziehe eine gefühlte Tonne Last über einen Schotterweg. Endlich angekommen, gibt es noch einmal die rhetorische Frage: „Mama, und du willst heute nicht einfach mal mit hier bleiben?“. Rhetorisch deshalb, weil ihnen die Antwort bereits klar ist. Nein, kann ich nicht. „Das ist ein Kindergarten und kein Mamagarten. Viel Spaß euch, ich hole euch um 1 wieder ab!“, ein Kuss auf die Stirn und sie marschieren brav auf das Terrain des Kindergartens. Ich drücke Zwilli 3 und 4, die mittlerweile schon gehörig meckern, noch fix irgendetwas zu essen in die Hand, schwinge mich auf den Sattel und düse los. Zurück über die Feldwege bis zur asphaltierten Straße und noch schnell zum Supermarkt, irgendeine Kleinigkeit brauche ich fürs Mittagessen doch immer noch. Und vielleicht noch mal zum Stoffladen, ich könnte noch etwas Stoff für eine rote Hose, die ich Zwilli 2 nähen wollte, gebrauchen. Ach und in den Zeitungsladen könnten wir auch noch, ich brauche neues Liquid für meine E-Zigarette. Ohne die stehe ich das Ganze nicht durch. Auf dem Rückweg schauen wir uns natürlich noch die Kühe und Hühner auf dem Bauernhof an, wie jeden Tag. „Wie macht die Kuh?“, frage ich die Mädels und bekomme undefinierbare Laute zurück, die nach allem, aber nicht nach einer Kuh klingen. Zu Hause angekommen beginnt jetzt der gemütliche Teil des Tages…