„Es werden zwei!“

„Es werden zwei!“

7. Oktober 2018 0 Von Kathrin

Irgendwann war es bei mir einfach so weit. Schon lange hatte mein Mann mich gefragt, ob wir denn nicht heiraten sollten. Damals war ich Redaktionsleiterin eines regionalen Fernsehsenders und meine Karriere stand still. Ich musste mich also entscheiden. Entweder bewerbe ich mich zu den großen Sendern oder Sendungen unseres Landes oder ich beginne ein ganz neues Leben. Als Mami. Da ich bereits 29 war und mir immer vorgenommen hatte, bis 30 mein erstes Kind bekommen zu haben, spürte ich meine persönliche Uhr doch bereits ticken. Ich sagte also Ja. Ja zu Kind und Ehemann und einem ganz neuen Leben. Ungeduldig wie ich bin, setzte ich mitten im Zyklus die Pille ab – wir haben doch keine Zeit! Das war im April 2014. Wie heute erinnere ich mich an das Gespräch, das ich an diesem regnerischen Apriltag im Sender mit meinem schwulen Hauptmoderator, der in dieser Zeit auch mein bester Freund war, führte. Wir waren wieder einmal die letzten am Arbeitsplatz. Unsicher fragte ich ihn: „Was hältst du von Kindern? Ich überlege, ein Baby zu machen.“. Trocken antwortete er mir: „Na besser als hier zu sitzen wird das allemal!“. Also fuhr ich heim, sagte:“Schatz, sollen wir ein Baby machen?“ und stieß auf einen überglücklichen, genauso begeisterten baldigen Papa. Gesagt, getan. Von da an rödelten wir, was das Zeug hielt. Einmal, zweimal, dreimal am Tag. Eine tolle Sache, so ein baldiges Baby, dachte ich oft. Im Juni flog ich dann mit meiner besten Freundin nach Fuerteventura. Am Tag des Fluges sollte ich meine Periode bekommen. Doch ich bekam sie nicht. Auch am nächsten und übernächsten Tag nicht. Sofort lud ich mir eine der so beliebten Schwangerschafts-Apps herunter und stierte den ganzen Tag auf das Display, das mir anzeigte, dass das kleine Würmchen in meinem Bauch jetzt schon so und so winzig ist und welches Organ oder welche Gliedmaße sich gerade ausbildete. An einem Abend in diesem Urlaub rauchte ich meine vorerst letzte Zigarette und trank meinen vorerst letzten Rotwein – die Dinge, die ich bis dato am meisten auf der Welt liebte. Aber es tat nicht so weh, wie ich erwartet hatte, schließlich sollte ich einen tollen Lohn bekommen. Ich weiß noch , wie ich am letzten Abend dieses Urlaubs auf der Lounge-Terrasse des Hotels auf einem Chillout-Sofa im Rattan-Style lag, in die Sterne schaute, meinen Unterleib streichelte und dachte: „Du wirst alles verändern“. Dass ich hätte im Plural denken müssen, sollte mir beim ersten Frauenarztbesuch wieder daheim klar werden. Aufgeregt fieberten mein Mann und ich diesem Termin entgegen. Hin und wieder witzelten wir darüber, dass es ja auch zwei Babys werden könnten, daran glaubten wir aber nicht wirklich. Auf dem Stuhl im Behandlungszimmer angekommen, lag ich dann nun da. Den Ultraschallstab in meiner Vagina, die Hand meines Mannes fest in meiner. Der Arzt hielt kurz inne, schaute noch einmal und sagte dann: „Herzlichen Glückwunsch, es sind zwei!“. In diesem Moment fühlte ich mich, als hätte ich einen Fünfer im Lotto gewonnen, das Diplom für Molekularbiologie zum ersten Mal in meinen Händen gehalten und unsere Fußball-Elf gerade die WM gewonnen – und das alles gleichzeitig. Was das Leben als Zwillingsmami wirklich bedeutet, davon hatte ich nicht den blassesten Schimmer.

Herzlichen Glückwunsch, es werden wieder zwei

Tja, ganz anders sah da die Geschichte beim zweiten Mal aus. Das erste Lebensjahr meiner Jungs, also Zwilli Nr.1 und Nr. 2, war für mich kein rosa Wölkchen. So leid es mir heute tut, konnte ich diese Zeit überhaupt nicht genießen. Ich fühlte mich permanent gehetzt, wie auf der Flucht vor etwas, vor dem ich nicht fliehen konnte. Ständig und überall saß mir die Angst im Nacken: Und wenn nun beide gleichzeitig schreien und ich sie nicht beruhigt bekomme? Nächtelang liefen mein Mann und ich durch die Wohnung, schockelten und hüpften auf Petzibällen, sangen „Lalelu“ und ließen unsere Stromrechnung ins Unermessliche steigen, weil wir uns einbildeten, dass das Geräusch eines Föhns die Jungs schneller zum Schlafen bringt. Heute frage ich die beiden manchmal noch, ob sie irgendwelche Müdigkeitssymptome spüren, wenn ich mir die Haare föhne, was sie jedoch verneinen. Puh, diesbezüglich schon mal keine bleibenden Schäden angerichtet.


Ich weiß nicht, ob es die Unerfahrenheit war oder ob Zwilli Nr.1 und Nr. 2 anstrengender waren. Fakt ist: Bei Nr. 3 und Nr. 4 wurde alles anders. Aber von vorn.
Als die Jungs etwa anderthalb wurden, wurde unser Leben einfach fantastisch. Wir hatten es uns gemütlich gemacht. Schliefen lang, aßen viel, liefen ohne Kopf und ohne Ziel stundenlang durch die Natur. Wir sammelten Steine, gingen zu diversen Krabbel,- Spiel,- und Singgruppen und schliefen nachts gut. Also spürte ich so langsam den Mut in mir aufsteigen. Schnell waren mein Mann und ich uns einig: EIN Kind machen wir noch, hoffentlich wird es ein Mädchen. Wieder einmal, gesagt, getan. Wir hatten einen wunderbaren Portugalurlaub mit unseren Jungs, das Leben war perfekt. Oft stellte ich mir vor, wie ich meine kleine Wunschtochter den ganzen Tag in einer Tragehilfe an mich schnallte und weiterhin das Leben mit meinen Söhnen lebte, das wir bis dato gelebt hatten. Doch das Schicksal oder Karma oder wer weiß was wollte es anders. Die Schwangerschaft kam und mit ihr auch der erste Frauenarztbesuch. Diesmal witzelten nicht nur wir, sondern auch alle um uns herum, dass es doch sicher wieder zwei werden würden. „Dann ziehen wir aus.“, kündigten meine Schwiegereltern an, mit denen wir uns ein Haus teilen.
Nun lag ich also wieder da, auf dem Frauenarztstuhl, besagten Ultraschallstab in der Vagina, die Hand meines Mannes fest in meiner. „Bitte nicht noch mal zwei!“, höre ich mich noch drohend zu meinem Frauenarzt sagen. Dieser hielt wieder kurz inne, kratze sich mit der Schulter die Nase und sagte ein wenig beschämt: „Ähm, doch. Wieder zwei.“, fast, als müsste er sich entschuldigen. Was er in meinen Augen auch musste. Die ganze Welt sollte sich in diesem Moment bei mir entschuldigen, fand ich, denn ich war über diese Nachricht überhaupt nicht froh. All die furchtbaren Bilder durchschockelter Nächte ohne Schlaf und dieses furchtbare Gefühl, unfähig als Mutter und völlig überfordert zu sein, blitzten in meinem Inneren auf. Und ich war einfach nur in einer Art Schockstarre. Meinem Mann sah ich an, dass es ihm genauso ging. Wie in Trance fuhr ich heim und verkündete erst einmal Zwilli 1 und 2 die freudige Botschaft. Die konnten damit natürlich so viel anfangen wie mit dem Satz des Pythagoras. Als nächstes wollten meine Schwiegereltern wissen, was der Frauenarztbesuch an neuen Informationen gebracht habe. „Wieder Zwillinge.“, sagte ich nüchtern. Ein beherztes „Ach du Scheiße.“ und betretenes Schweigen waren die Reaktionen meiner Schwiegermutter, während ihr Mann sich nur mit einem grübelnden „Hm.“ zu Wort meldete. Es folgte meine Familie, die schon wesentlich mehr Freude über das zu erwartende Ereignis übrighatte. Die hatten allerdings auch leicht reden, da alle etwa 500 Kilometer entfernt wohnen und somit als potentielle Helfer komplett ausfallen.
Und da stand ich nun. Wie ein geprügelter Hund. Und fragte mich, wie ich das schaffen sollte.

Erstens kommt es anders, …

Doch diesmal lief alles anders. Ich sollte anstatt einer Wunschtochter tatsächlich gleich zwei bekommen. Diese Information ließ meine Stimmung weit nach oben steigen. Und das blieb auch so. Die Geburt fiel mir leichter, trotz erneuten Kaiserschnitts, das erste Lebensjahr war ein Traum. Die Jungs wurden großartige Brüder, die Nächte blieben stets ruhig. Unser Leben hat sich eingespielt und läuft – meistens – richtig gut. Kein Schockeln, kein Schlafmangel und eine ziemlich entspannte Mama. Hätte mir das mal einer während der zweiten Schwangerschaft erzählt, hätte ich mir so einige trübe Gedanken erspart.